CDU debattiert über Schwangerschaftsabbruch und Leihmutterschaft
Am Montag, den 29. April 2024 veranstaltete der Evangelische Arbeitskreis (EAK) Tübingen und der CDU-Kreisverband Tübingen ein hochkarätig besetztes Online-Podium unter dem Titel „Schwangerschaftsabbruch und Leihmutterschaft – Fortschritt?“, an dem über 35 Interessierte teilnahmen.
In seiner Begrüßung machte der CDU-Kreisvorsitzende Christoph Naser deutlich: „Die Ampel-Koalition krempelt die Gesellschaft um, ohne die Menschen zu beteiligen. Aber gerade in so komplexen ethischen Fragen braucht es eine ernsthafte Debatte. Es geht um die Frage: Ab wann kommt menschlichem Leben der volle Schutz des Grundgesetzes zu“. Entsprechend sähen sich CDU und EAK hier in der Verantwortung, „auf würdevolle Weise, ernsthaft und respektvoll“ dieses, die Fundamente des Menschseins betreffende, Gespräch zu führen.
Am frisch gewählten EAK-Kreisvorsitzenden Prof. Dr. Jonathan Reinert war es sodann, den Abend zu moderieren. Es diskutierten: Staatsministerin a. D. Annette Widmann-Mauz MdB, Bundesvorsitzende der Frauen Union, Prof. Dr. Franz-Josef Bormann, katholischer Moraltheologe und Priester, der außerdem Mitglied des Deutschen Ethikrates ist und die Deutsche Bischofskonferenz in bioethischen Fragen berät, sowie Dr. Ingeborg Kraus, die Diplom-Psychologin und Traumatologin ist. Frau Kraus ist außerdem Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.
Annette Widmann-Mauz machte klar, dass die aktuell noch geltende Regelung einen gesellschaftlichen Frieden herbeigeführt habe, der sowohl das Selbstbestimmungsrecht der Frau garantiere als auch dem ungeborenen Leben Gehör verschaffe. Diesen Frieden jetzt, ohne Not, aufzukündigen, führe zu weiterer Polarisierung wie wir sie beispielsweise in den USA oder Polen beobachten könnten. Das wolle sie nicht. Wenn Entscheidungen dieser Tragweite getroffen würden, müssten Frauen in ihren Nöten Beratung erhalten, um eine fundierte und selbstbestimmte Entscheidung treffen zu können. Klar sei für sie: Mit der Einnistung in der Gebärmutter „entwickelt sich der Mensch nicht zum Menschen, sondern als Mensch“. Dies müsse berücksichtigt werden.
Dr. Kraus hob hervor, dass Schwangerschaftsabbrüche aus ihrer Sicht aus dem Strafgesetzbuch (StGB) gestrichen werden müssten, kritisierte aber den sich abzeichnenden „Deal“ der Ampel-Koalition, in diesem Zuge auch die Leihmutterschaft zu erlauben. Eine solche Gesetzesänderung würde „wieder die Vulnerabelsten in unserer Gesellschaft treffen“.
Prof. Bormann merkte in seinem Statement an, dass es kein Zufall sei, dass der Deutsche Ethikrat in dieser Frage nicht konsultiert worden sei. Ziel der Ampel sei eine Beratung nur in begrenzter Form gewesen, wobei von vorneherein klar war, was herauskommen soll. Entsprechend hat die Kommission geliefert „was bestellt worden war“. Sodann kritisierte er den Kommissionsbericht detailliert: Diese Extrempositionierung der Kommission sei kein Fortschritt, sondern ein Rückfall hinter den bisherigen Stand der Debatten. Autonomie und Selbstbestimmung seien hohe Güter, die aber nicht unbegrenzt gelten – nur wenn man dem anderen alle Rechte aberkenne gelinge die Argumentation der Kommission; es finde eine Entkopplung von Menschsein und Trägerschaft von Menschenwürde statt; mit der Zeugung sei auch eine Fürsorgeverantwortung für das gezeugte Kind verbunden; Willensbildung sei immer ein sozialer Akt in vielen Beziehungen.
Der zweite Teil der Diskussion widmete sich dem Thema Leihmutterschaft.
Hier stellte Frau Dr. Kraus direkt zu Beginn klar: „Das Gesetzespaket der Ampel ist verrückt“. Wenn dieses Gesetz so kommen sollte, werde „der Menschenhandel florieren“. Sie kenne Berichte, in denen die Leihmutter gestorben sei. Prof. Bormann sprach in Bezug auf die Leihmutterschaft von einer „moralisch unzulässigen Handlung“, betonte aber auch den Unterschied zwischen dem Terminus Menschenhandel und dem Ausnutzen einer wirtschaftlichen Notlage. Frau Widmann-Mauz gab zu bedenken, dass die rechtliche Situation keinesfalls zu unterschätzen sei und benutzte das eindrückliche Bild eines Kindes als „Ware“, die bestellt und ausgeliefert werden würde. „Was aber passiert, wenn das Kind eine Behinderung hat?“ Sie kam zum Fazit, dass die vielfältigen Bedenken und Probleme beim Thema Leihmutterschaft „in keinem Verhältnis zum berechtigten Kinderwunsch“ stünden.
Gegen Ende merkte Christoph Naser an, dass die AfD und die Grünen die einzigen beiden Parteien seien, die das Thema Abtreibung, das weit davon entfernt ist auf europäischer Ebene verhandelt zu werden, in ihrem EU-Wahlprogramm verankert hätten – „warum also?“ fragte er. „Weil sie von diesem Thema am meisten ‚profitieren‘, indem sie die Gesellschaft weiter polarisieren“!
Abschließend von Prof. Reinert nach ihren Wünschen für die weitere Debatte gefragt waren sich entsprechend alle drei Diskutanten einig. Sie wünschten sich eine sachliche, offene und breite Diskussion, die von Respekt vor der Meinung des anderen geprägt sei und damit einer zukunftsfähigen und kinderfreundlichen Gesellschaft würdig sei.